Vorab möchte ich klarstellen, dass es sich bei den folgenden Passagen zur unendlichen Geschichte von Michael Ende nicht tatsächlich um eine Rezension in (meinem) engeren Sinne handelt. Es ist quasi unmöglich eines der schönsten literarischen Werke des 20. Jahrhunderts zu rezensieren, welches in 40 Sprachen übersetzt und acht Millionen Mal verkauft wurde und noch heutige unzählige Leser begeistert. Die unendliche Geschichte steht schon sehr lange auf meiner „Must read before die“-Bücherliste und ich habe mich irrsinnig auf diesen Lesegenuss gefreut. Kaum jemand in meinem Alter kennt die unendliche Geschichte nicht, die meisten haben zumindest den Film gesehen und schwärmen heute noch für den wunder-schönen Glücksdrachen Fuchur oder für das wohl treueste Pferd Artax, das von Atreju, dem grünhäutigen Jungen geritten wird und sich für ihn opfert. Meine Erwartungen waren also sehr hoch und ich wurde für meinen Eifer belohnt, binnen weniger Seiten war mir klar, dass mir dieses Buch sehr gut gefallen wird und die Lesestunden vergehen werden wie im Flug.
„Einige glauben, nur dann glücklich sein zu können, wenn sie woanders wären, als sie sind, und reisen ihr Leben lang durch die Welt. Und ein paar finden keine Ruhe, ehe sie nicht mächtig geworden sind. Kurzum, es gibt so viele verschiedene Leidenschafen, wie es verschiedene Menschen gibt. Für Bastian Baltasar Bux waren es die Bücher.“
Seite 11
„Tu was du willst“ lautet die Inschrift von dem Buch, das der kleine unscheinbare Bastian mitgehen hat lassen und welches ihn in eine Geschichte und Welt katapultiert, von der er bis dahin nicht hätte gewagt zu träumen. Außerdem handelt es sich dabei wohl auch um das Motto Michael Endes bei der Verfassung des allseits bekannten Fantasy-Klassikers, welcher unzählige Leser mit seiner grenzenlosen Phantasie und allen denkbaren Figuren und Wesen verzauberte.

Besonders schön sind schon die Beschreibungen zu Bastian, dem Bücherwurm, der fast augenblickblich von dem Buch über die unendliche Geschichte in den Bann gezogen wird und entgegen aller Regeln nicht aufhören kann darin zu lesen um mehr über Phantasien und die Kindliche Kaiserin zu erfahren. Ich konnte mich sofort mit dem kleinen Jungen identifizieren, der für seine Bücherleidenschaft lebt und guten Geschichten einfach nicht widerstehen kann. Von Seite zu Seite werden von Michael Ende geschickt die Brotkrumen in den Seiten verteilt und der aufmerksame Leser erkennt recht schnell, dass der kleine Junge mit der grenzenlosen Phantasie eine ganz besondere Rolle in dieser Geschichte spielen wird.
„Denn das konnte er – vielleicht war es das einzige, was er wirklich konnte: Sich etwas vorstellen, so deutlich, daß er es fast sah und hörte. Wenn er sich selbst seine Geschichte erzählte, dann vergaß er manchmal alles um sich herum und wachte erst am Schluß auf wie aus einem Traum.“
Seite 26
Michael Ende hat faszinierende Landschaften, Pflanzen, aber vor allem Figuren und Wesen erschaffen, die eine Vielzahl an positiver und negativer Eigenschaften mit sich bringen. Ich bin mir sicher, dass sich jeder mit einem oder mehreren der Protagonisten auf gewisse Art identifizieren kann. Neben Bastian Balthasar Bux, können die Kindliche Kaiserin als unparteiische und gerechte Herrscherin über Phantasien, Atreju, der dem Volk der Grünhäute angehört und Fuchur, ein glitzern weißer Glücksdrache als die wesentlichen Figuren bzw. Wesen der unendlichen Geschichte bezeichnet werden. Atreju ist zwar ein erst zehnjähriger Junge, überzeugt jedoch durch seinen ausgeprägten Mut und Gerechtigkeitssinn, er würde weder Phantasien noch einen seiner Freunde in Stich lassen und bis zum letzten Atemzug für dieselben kämpfen. Besonders angetan bin ich allerdings von dem seltenen Geschöpf Fuchur mit seinem glockenähnlichen Gesang, der gerne im Himmel schläft und stets betont, dass er ein Glücksdrache sei und die Geschichte daher gut ausgehen wird.

Achtung Spoiler
Die unendliche Geschichte kann eigentlich zweigeteilt betrachtet werden. Im ersten Part sind Atreju und Fuchur auf der Suche nach dem Gegengift für die Kindliche Kaiserin bzw. nach der Rettung aus der Misere in dem sich das im Nichts versinkende Phantasien befindet. Dieser Teil der Geschichte (vor allem auch die Ausführungen zur Bücherliebe von Bastian auf den ersten Seiten) hat mich besonders gefesselt. Nach und nach wird klar, dass der kleine unscheinbare Junge schlussendlich seinen Weg nach Phantasien finden und Bestandteil der unendlichen Geschichte sein wird. Mit einiger Anstrengung und einem schlauen Umweg gelingt es der Kindlichen Kaiserin Bastian zur Aussprache ihres Namens zu bewegen und der Bücherwurm ist in der unglaublichen Geschichte. Auf seinem Weg durch Phantasien lässt Bastian die verschiedensten Dinge geschehen, kreiert wunderschöne Landschaften, Städte und beeindruckende Wesen. Allerdings vergisst er unterwegs zunehmend seine Herkunft und seine Ziele. Als Leser hält man an dieser Stelle den Atem an, möchte Bastian schütteln und dazu zwingen auf seine treuen Freunde Atreju und Fuchur zu hören, die nur sein bestes wollen und sein Vergessen verhindern wollen. Mir persönlich hat der erste Teil der Geschichte besser gefallen, die Geschichte ist hier wesentlich romantischer und spannender. Bastians Höhenflug und grausames Verhalten gegenüber seinen Freunden, war zwar für die Entwicklung der Geschichte essentiell, allerdings waren diese Passagen (vor allem im Vergleich zu jenen am Beginn) etwas langatmig.

Besonders berührt hat mich die allseits bekannte (fürchterlich traurige) Passage zu Artax´s Tod. Der grünhäutige Junge Atreju verliert bereits kurz nach seinem Aufbruch im Dienste der Kindlichen Kaiserin seinen besten Freund und treuesten Wegbegleiter – sein Pferd Artax. In den Sümpfen der Traurigkeit, steigt Atreju ab um Artax den beschwerlichen Weg durch die tiefen Sümpfe zu erleichtern. Artax verfällt immer mehr in eine tiefe Traurigkeit und kann sich schlussendlich nicht mehr bewegen, da er bereits bis zum Rumpf eingesunken ist. Atreju fleht seinen treuen Wegbegleiter an sich aufzuraffen und zu versuchen einen Weg aus dem Sumpf zu finden. Es war jedoch zu spät für Artax, der sich von seinem Reiter Atreju verabschieden und schlussendlich leider in den Sümpfen der Traurigkeit versinken musste. Der Grünhäutige musste seine beschwerliche Reise tieftraurig und ohne seinen besten Freund fortsetzen.
„Vielleicht“, erwiderte Artax, „bei jedem Schritt, den wir weitergehen, wird die Traurigkeit in meinem Herzen größer. Ich habe keine Hoffnung mehr, Herr. Und ich fühle mich so schwer, so schwer. Ich glaube, ich kann nicht mehr weiter.“
Seite 56
Neben dem mitreißenden Abenteuer, den faszinierenden Wesen, den gut durch-dachten und sympathischen Protagonisten, enthält die unendliche Geschichte auch noch eine Mahnung. Dem kleinsten Impuls zu folgen (so ganz nach dem Motto „Tu was du willst“) kann dazu führen die wesentlichsten und innigsten Wünsche zu vernachlässigen und irgendwann sogar zu vergessen. Ich habe daraus gelernt, dass man das große Ganze und das eigentliche Ziel auch auf einem etwas holprigen Weg niemals vergessen darf (und dass einfach alles möglich ist).
„Aber Wünsche kann man nach Belieben weder hervorrufen noch unterdrücken. Sie kommen aus den tieferen Tiefen in uns als alle Absichten, mögen diese nun gut oder schlecht sein. Und sie entstehen unbemerkt.“
Seite 371

Fazit
Es wäre einfacher zu beschreiben was dieser Fantasy-Roman aus der Feder von Michael Ende nicht mitbringt, als umgekehrt. Ein Geniestreich der Phantastik, der eine abenteuerliche Geschichte mit einer großen Lehre für den Protagonisten und die schönsten Darstellungen der vielen Facetten von Freundschaft vereint.
In meinen Augen ist die unendliche Geschichte neben der fantastischen Handlung auch eines der schönsten Bücher, das ich jemals besitzen durfte. Die Zeichnungen von Roswitha Quadflieg vor jedem neuen Kapitel können wirklich als wunderschön bezeichnet werden und runden das Lesevergnügen perfekt ab. Auch die Schriftfarbe, die entweder grün oder rot ist, je nachdem ob es sich gerade um die Menschenwelt oder um ein Szene aus Phantasien handelt, ist ein wunderbarer Einfall und unterstützt bei der Orientierung des Lesers.
Die unendliche Geschichte von Michael Ende ist ein Klassiker des Fantasy Genre und kann begeisterte Leser für einige Stunden in eine völlig verrückte, aber gleichzeitig auch faszinierend schöne Welt befördern, in der alles möglich und nur Realistisches unmöglich erscheint. Ich kann das Buch jedem wärmstens empfehlen, der gerne etwas Urlaub vom Alltäglichen und einen kleinen Ausflug in eine ganz besondere Welt erleben will. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass es sich bei diesem Buch um Jugendliteratur handelt und manche Stellen natürlich dementsprechend gestaltet wurden und vielleicht manch einem hartgesottenen Fantasy-Fan zu „kindersicher“ sein könnten.
„Auch späterhin, als Bastian längst wieder in seine Welt zurückgekehrt war, als er erwachsen und schließlich alt wurde, verließ ihn diese Freude nie mehr ganz. Auch in den schwersten Zeiten seines Lebens blieb ihm eine Herzensfrohheit, die ihn lächeln machte und die anderen Menschen tröstete.“
Seite 416
(verfasst von Simone)
PS: „Fotomodel“ durfte hier (mehr oder weniger freiwillig) mein Kater „Tiger“ sein, der mich – wie unschwer zu erkennen ist – sehr tatkräftig beim Rezensieren unterstützt..
Buchinformationen
Michael Ende - "Die unendliche Geschichte", Thienemann Verlag, 429 Seiten, ISBN: 3522128001
… mit einem Klick zur Schmuckausgabe (portofrei Literatur erwerben auf HEYN.at):

Kommentar verfassen