Es sieht nicht gut aus für Motti – die angebetete Schickse Laura hat scheinbar kein großes Interesse an der Fortsetzung der aufkeimenden Romanze und lässt vergeblich auf Meldung warten. Auch in familiärer Hinsicht steht der neuerdings Jeans liebende Schweizer Jude ziemlich alleine da, sogar seine ihn sonst vergötternde und verhätschelnde Mutter hat ihm den Rücken gekehrt. Gerade als seine Verzweiflung und der unkoschere Alkoholkonsum Grenzenlosigkeit zu erreichen scheinen, eilt Hilfe in Form eines Leidensgenossen herbei und Motti landet in der Heimat der Juden – Israel. Er würde bei Bezug der eher spärlichen WG von verlorenen Söhnen niemals auf die Idee kommen, dass gerade er, Moische Wolkenbruch in Kürze eine bedeutende Rolle im Kampf gegen die Hass-Maschine der Nazis spielen soll.
Thomas Meyer entschied sich bei der Fortsetzung von „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ für zwei Handlungsstränge. Der Autor arbeitet in seinen originellen Roman diverse Rückblenden in das Ende des zweiten Weltkriegs ein. Kurz nach dem Scheitern der Nationalsozialisten schlossen sich einige wenige verbliebene und besonders fanatische Hitler-Anhänger zusammen und schmiedeten Verschwörungspläne in ihrem Versteck in den Alpen. Auch die Parallelhandlung, welche in Deutschland spielt, findet im Laufe des Romanes in die Jetzt-Zeit und zu Motti, was bedeutet, dass schlessendlich die beiden Handlungsstränge miteinander verschmelzen.

Achtung Spoiler
Es gäbe wirklich einige Highlights und Kuriositäten aus Michael Meyers „Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin“, die hier ihren Platz finden könnten. Eines davon ist für mich persönlich der imposante Aufschwung der israelischen Orangen-Farm. Meyer erzählt hier mit so viel intelligentem Witz und Ironie wie heutzutage aus Standard-Artikeln mit Marketing über social media plötzlich absolute Trend-Produkte kreiert werden können, deren Erfolg für viele Nicht-social-media-Infizierte kaum nachvollzieh- oder objektiv erklärbar ist. Motti wendet hier mit größtem Erfolg die heute funktionierende perfekte Mixtur aus altbewährtem „Sex sells“, Luxus, Tierproduktfreiheit und medialer Präsenz an. Diese kreative und bewusste Übertreibung des Autors ließ mich bei Erkennen des Wahrheitsgehalts wirklich herzhaft lachen.
Auch das ständige Wortgefecht zwischen der jüdischen Version von Alexa, die ausschließlich jüdische Ärzte und Restaurants empfiehlt und mit Mottis Mutter über Rezepturen streitet und der Hass-Maschine der Nazis, die ein unfassbar großes Repertoire an Beschimpfungen parat hat, sind wirklich köstlich. Wirklich brechen konnte die durch und durch boshafte Maschine der alpinischen Neo-Germanen nur eine einzige – Mottis Mutter Frau Wolkenbruch, die eine Meisterin der Psycho-Spielchen und Verunsicherung durch Herabwürdigen von Fähigkeiten ist.
Fazit
Ich gebe zu, dass meine Erwartungen und Ungeduld was die Fortsetzung von „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ aus Michael Meyers Feder angeht enorm war. Ich habe mich aufgrund der herausragenden Fähigkeit des Autors auf Jiddisch zu lesen auch wieder für ein Hörbuch entschieden und war sehr aufgeregt endlich in das Rezensionsexemplar hinein hören zu können. Zu Beginn war ich von den beiden Handlungssträngen irritiert und konnte die Bedeutung und den Zusammenhang des neuerdings Schicken liebenden jungen Herrn Wolkenbruch und der Erzählungen rund um ein paar offensichtlich wahnsinnigen Nazis zum Ende des zweiten Weltkrieges nicht ganz nachvollziehen. In der ersten Stunde konnte ich trotz grenzenloser Euphorie und großer Liebe zu alles rund um Wolkenbruch nicht ganz in die Geschichte finden. Spätens bei Mottis Karriereaufstieg und dem Aufstreben des Orangen-Imperiums hatte mich Herr Meyer mit seiner Kreativität und genialem Wortwitz wieder abgeholt und ich war vollkommen in Mottis skurriler Welt rundum das Weltjudentum und die von den Neogermanen ausgehende Gefahr einer Cyber-Übernahme gefangen.
Der Autor konnte mich mit seiner wunderbar amüsanten Romanidee und Erzählweise wieder verblüffen, obwohl ich diesmal der festen Überzeugung war auf die Sprache und Skurrilität Meyers vorbereitet zu sein. Mir bleibt gar nichts anderes übrig als eine erneute wärmste Empfehlung für den neuesten Geniestreich dieses Grenzgänger-Autors auszusprechen.
Michael Meyer – wehe du hörst auf zu schreiben oder lässt dir zu viel Zeit – ich bin spätestens jetzt zu deinem Fan mutiert und warte jetzt schon ungeduldigst auf mehr Stoff aus deiner Feder!

(verfasst von Simone)
Buchinformationen
–> dieses Hörbuch wurde von dem Verlag Diogenes als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt
Thomas Meyer - "Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin", gelesen von Thomas Meyer, Diogenes Hörbuch, 323 Minuten, ISBN-13: 978-3257804089
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