„Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ von Ottessa Moshfegh

Eine junge (offensichtlich sehr ansehnliche) Frau mit unkonventioneller Lebenseinstellung und dramatischen Hang zur Andersartigkeit entschließt sich nach und nach eine Auszeit zu nehmen. Sie widmet sich mit Haut und Haaren ihrer Lieblingsbeschäftigung dem Schlafen und ist gerade dabei nicht weniger als ein ganzes Lebensjahr ihrem leidenschaftlichen Hobby zu widmen.

In einem durch Unmengen an Schlaftabletten, Antidepressiva und Beruhigungsmitteln verursachten undurchsichtigen Nebel erlebt die junge New Yorkerin Unglaubliches. Sie kann sich an ihre mysteriösen Erlebnisse und Begegnungen in ihren Schlafphasen nicht erinnern und empfindet für potennzielle Fehltritte in den Wachphasen große Scham. Konstant sind in ihrem besonderen Zustand nur ihre loyale Freundin, die sie für ihr gutes Aussehen mit jeder Faser ihres Körpers beneidet und ihre allumfassende Müdigkeit beziehungsweise das Bedürfnis weiter zu schlafen.

Die Autorin beschreibt ihre Protagonistin als schöne Künstlerin in jungen Jahren, die sich ihrer eigenen Attraktivität und ihrer besonders günstigen finanziellen Situation nicht wirklich bewusst zu sein scheint. Sie kann dem Wachsein nur wenig abgewinnen und ist ohnehin von ihrer beruflichen Tätigkeit ebenso wie von ihrer besten Freundin und ihrer Loyalität angeödet.

Ottessa Moshfegh kreirt eine Welt aus absurdem Drang zur Selbstzerstörung in Form von ständiger Abschottung und dem Ignorieren dringender körperlicher Bedürfnisse zu Gunsten maximaler Schlafzustände. Die Autorin setzt ihre besondere Idee in klarer und verständlicher Sprache um und verzichtet weitreichend auf sprachliche Finesse.

Achtung Spoiler

Dieser Roman beginnt skurril und als besonders neugieriger Mensch war ich nervös und ungeduldig und wollte unbedingt herausfinden wieso sich diese wunderschöne Frau fast ausschließlich nach Schlaf sehnt und dabei keinen Hunger auf Leben verspürt. So richtig erklärt werden die Beweggründe der jungen New Yorkerin nicht. Man kann sich als Leser jedoch zusammenreimen wieso eine Vollwaise, die auch bei Lebzeiten ihrer Eltern so gut wie keine zwischenmenschliche oder Zuneigung zu einem von beiden verspürte, den Schlaf dem Wachsein vorzieht. Der Anspruch der jungen Frau an das Leben selbst ist verschwindend gering und in Abetracht einer wahrscheinlichen Enttäuschung ist der ruhende Zustand einfach die bessere Option. In meinen Augen eine verblüffende Aufarbeitung des Verlusts der eigenen Lebensfreude.

Fazit

Ein Roman der sich von der breiten Masse abhebt, vor Skurrilität strotzt und eine verblüffte und etwas irritierte Leserin zurücklässt – was will man mehr? Als Vielleserin genieße ich jeden Ausflug in unbekannte Sphären, manchmal bin ich von klassischen oder klischeehaften Geschichten schon etwas angeödet und bin in meiner Bewertung vermutlich aus Langeweile überkritisch und wenig euphorisch. Auch wenn ich mit der Leidenschaft der Protagonistin persönlich nicht viel abgewinnen kann (natürlich liebe ich es zu auszuschlafen, aber mir würde nie einfallen meine kostbare Freizeit ausschließlich ruhend zu verbringen, dafür bin ich sowieso zu quirlig) fasziniert mich das Thema und die Idee.

„Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ ist ein egozentrisches und interessantes Buch basierend auf einer absurden Idee und von der Autorin mit viel Kreativität umgesetzt.

(verfasst von Simone)

–> Danke an den Verlag Liebeskind für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Buchinformationen

Ottessa Moshfegh - "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung", Liebeskind, 313 Seiten, ISBN 978-3-95438-092-3

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